Führen heißt: Aushalten, was man ausgelöst hat
- Viva Brunnert
- 23. Apr.
- 1 Min. Lesezeit
Ein Plädoyer für bewusste Präsenz in der Führungsrolle
„Das hast du ausgelöst.“
Diesen Satz habe ich in einem Coaching gesagt – ganz ruhig, ohne Vorwurf, und trotzdem hat er gesessen. Eine Führungskraft hatte mit einer scheinbar harmlosen Bemerkung ihr Team verunsichert. Nicht bewusst, nicht mit böser Absicht. Aber wirkungsvoll. Denn so ist Führung: Sie wirkt. Immer. Auch wenn wir nicht hinsehen.
Und genau hier beginnt Führung für mich: Nicht bei Tools, Techniken oder Methoden. Sondern bei der Bereitschaft, zu sehen, was wir auslösen – und es auszuhalten. Nicht wegzuerklären. Nicht zu relativieren. Sondern dazubleiben, nachzufragen, Verantwortung zu übernehmen. Auch (und gerade) dann, wenn es unangenehm ist.
Warum das so schwer ist?
Weil es berührt. Weil es bedeutet, sich selbst zu spüren. Unsere Unsicherheit. Unsere Ohnmacht. Unser Bedürfnis, gemocht zu werden. Viele Führungskräfte wurden nie darauf vorbereitet, genau das zu fühlen. Im Gegenteil: Stärke wurde oft mit Distanz verwechselt. Entscheidungen mit Kontrolle. Haltung mit Härte.
Doch Teams spüren es, wenn etwas nicht stimmig ist. Sie spüren, ob jemand da ist – oder nur eine Rolle spielt. Sie spüren, ob jemand Verantwortung übernimmt – oder sich hinter „Sachzwängen“ versteckt.
Was hilft?
Verlangsamung. Selbstreflexion. Ein sicherer Raum zum Denken und Fühlen.
In meinen Workshops und Coachings sorge ich für solche Räume. Dort darf gesagt werden:„Ich weiß es gerade nicht.“„Ich merke, das hat euch getroffen.“„Ich muss selbst noch sortieren, aber ich bleibe dran.“
Führung beginnt da, wo wir nicht mehr nur handeln, sondern uns zeigen. Nicht perfekt. Aber echt.
Und ja – das kann man lernen. Nicht über Nacht. Aber Schritt für Schritt. Mit Begleitung. Mit Neugier. Und mit dem Mut, nicht alles sofort wissen zu müssen.
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